…und doch gut zu wissen, dass es mich trifft!
Wir sitzen beim Essen in einem schönen Restaurant – nich schön im Sinne von fancy, sonder im Sinne von gemütlich. Das Essen ist da ähnlich – nich fancy, aber lecker. Ich habe eine Wette gewonnen und durfte mir das Restaurant aussuchen. Jackpot.
Den Kommentar des Kellers darüber, dass meine Begleitung Bier trinkt und dich nur Rhabarbersaftschorle (‚das ist ja heute mal andersherum‘) kommentieren wir leise mit einem ‚Mackerarsch‘ und gut ist, und dass Essen inkl. der Vorspeise ist super. Meine Begleitung wird angerufen und ich greife aus Reflex auch nach meinem Smartphone und scanne die Oberfläche, sehe hier und da einige rote Zahlen und drücke geistesgegenwärtig auf das Symbol mit der höchsten roten Zahl – what’s app – viel gehasst weil Datenarschloch und dennoch viel in Gebrauch.
Ich bin in einer what’s app group, die in meiner Zeit in der Reha gegründet wurde, damit wir uns immer schnell austauschen konnten, wenn wchtige Dinge anstehen, z.B. wenn das Länderspiel losging und so – und diese wurde sehr sehr viel genutzt z.B. für Witze auf Furzwitzniveau (Mario Barth, etc.), so dass es manchmal sehr nervte und ich sie, also die Gruppe, auch seit Ende der Reha auf stumm gestellt hatte und sogar öfters schon dachte, ich muss diese Gruppe gänzlich verlassen, es aber irgendwie auch nie tat, denn irgendwie hat diese Reha dreizehn sehr unterschiedliche Menschen schon verbunden – denn vom ersten Tag an, an dem Mensch sagte: „und, was hast du für’n Krebs?“, wussten wir, wir sind nicht allein und das Austauschen über Haarausfall mit Gleichgesinnten, gibt einem das Gefühl, dass Haare sind völlig überbewertet sind.
Um auf what’s app zurückzukommen – In dem Moment, wo ich auf what’s app drückte, war ich froh dass es diese Gruppe gibt.
Die Nachricht war für Sekunden ohnmächtig machend – eine von uns hatte den Kampf gegen den Krebs verloren. Eine der jüngsten und eine, mit der ich viel gequatscht habe und die mich am letzten Tag im Auto mit nach Hannover genommen hatte, weil meine Mitbewohnerin, die mich eigentlich abholen wollte krank (Magen-Darm-Hurra) wurde und die andere Freundin, die mitkommen wollte, just am Tag davor eine kleine Hand-OP hatte und nicht im Auto schalten konnte und ich stand da mit drei Millionen Gepäckstücken und wollte nach vier Wochen Reha in der Pamapa nichts sehnlicher zurück als nach Berlin…und meine Mitpatientin sagte, ’na klar können wir dich mitnehmen nach Hannover“ (eine verbale Auslassung über den Unsinn der Stadt Hannover erspar ich mir an dieser Stelle und verweise nur auf die Scorpions) und auf der Fahrt, die ne gute Stunde dauerte, schnackten wir über Urlaub und was für dämliche Fitnessstudios wir uns suchen – gut, sie fand Fitnessstudios eigentlich in Ordnung.
Und dann das! Es hatte eigentlich ganz gut bei ihr ausgesehen und immer, wenn sie erzählte, was sie alles so gemacht hatte während der Chemo (z.B. Junggesellinnenabschied in Berlin, natürlich auf der Oranienburgerstrasse – ich musste mich damals sehr zurückhalten dies nicht böse zu kommentieren), da war ich immer ganz schön beeindruckt und dachte, was für eine toughe Socke!
Und dann verliert sie den Kampf – nein verlieren ist nicht das richtige Wort, denn manchmal wird nicht mit gleichen Mitteln gekämpft und dann hast du verloren, egal wieviel du ruderst und um dich schlägst! Du Arschloch bleibt dann nur zu sagen!
Sie war sicher kein Mensch, mit dem ich unter normalen Umständen befreundet gewesen wäre, dafür waren wir doch zu unterschiedlich – aber sie ist jemand den ich wohl auf eine eigenartige Art vermissen werde und auch wenn ich ihren Lebensentwurf mit den heteronormativen Vorstellungen überhaupt nicht nachvollziehen kann und will, so hätte ich ihr Tupperparty, ihren Job in der Verwaltung der Stadtwerken einer kleinen norddeutschen Kleinstadt, Kind und Kleinfamilie, VW Polo und Urlaub im Harz (inkl. Vollpension und ödem Wellnessangebot) gegönnt. Ja, irgendwie werde ich sicher nicht oft an sie denken, aber, so wie just in diesem Moment, da wird sie mir fehlen. Und ohne diese what’s app Group hätte ich das nie gewusst.
Als wir gehen, kommt ein Musiker herein und spielt auf seinem Cello ein klassisches Stück – irgendwie klingt das immer traurig und ich gebe ihm zwei Euro. Morgen fahre ich mit ein EIN GUTES PFERD los und wir machen Punkrock – das erste Konzert für mich nach über fünf Monaten. Wie schön zu wissen, dass das wieder geht. Sie hätte damit nix anfangen können.
Mach’s gut! So Long and thank’s for alle the Nagellackgespräche!