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ich war punk.

21/02/2016

eigentlich wollte ich einen text über die diskussionen in der punkszene über political correctness schreiben, aber ich bin nicht zum punk(t) gekommen. vielleicht bin ich am szenebegriff gescheitert oder daran, dass es einfach keine diskussionen gibt – gut letzteres gibt es schon manchmal, aber die regen mich oft auf, weswegen ich eigentlich ja auch darüber schreiben wolle, aber so ist es ja jetzt nicht gekommen.

ich war vierzehn und bis dahin musikalisch sehr furchtbar sozialisiert: e-rotic (kennt die noch wer), fun factory und andere eurodancebands prägten anfang der 90iger jahre meinen musikgeschmack wie auch den einer verwirrten neuvereinten nation, die sich vor allem durch rassimus, einem pfälzer saumagen essenden helmut kohl und schlecht gekleidete menschen einen namen machte. zwischen 1992 und 1995 hatten es die ärzte und die toten hosen schwer, sich gegen billiges pop-techno-gestampfe mit rapper und sängerin durchzusetzen, auch wenn “nach uns die sinnflut” das prägenste album meiner kindheit war und das medley zu beginn der scheibe mir heute noch gänsehaut einbringt. aber kurz: zwischen bravo-love-stories, dr. alban und schlechter frisur und noch schlimmeren tanzstil war kein zeit für punkrock.

große geschwister können da ja helfen, aber mein bruder war da lange keine hilfe: nachdem er seine 2unlimited phase abgelegt hatte (kurz vor mir) übernahm er ziemlich kritiklos von seinen (vermeintlichen) gangster freunden (vermeintlichen) gangsterrap – ich glaube, seine versuche, mich davon zu überzeugen, waren eher versuche, sich selber davon zu überzeugen. dann wurde er punk – oder zumindest ein punkmusik hörender und rage against the machine t-shirt tragender jugendlicher. und er hatte einen freund, der ihm das blaue pennywise album “pennywise” gab. er hat es gar nicht so viel gehört, aber für mich war es beginn einer langen liebe – nicht unbedingt mehr pennywise, aber halt punk. ich war punk.

und ja, es war voll(er) klischee(s): wütender, unruhiger jugendlicher – stress mit eltern, stress mit bruder, stress mit (schul-)klasse(n) – hört punkrock und will rebellieren. jaaaaa… naja, ganz so war es dann doch nicht.

"hafenstraße" vom hamburger hafen aus von dirk ingo franke CC-BY 2.0 via wikimedia commons

„hafenstraße“ vom hamburger hafen aus von dirk ingo franke cc-bx 2.0 via wikimedia commons

so richtig rebelliert habe ich nicht. ich hab mich nicht getraut und ich hatte auch zu wenig meinesgleichens – gefühlt zumindest. die, die so richtig punk waren, die wen in der hafenstraße (besetzes häuser und so) kannten und schon mit fünfzehn böse kucken konnten und wirklich zerrissene kleidung trugen, schaute mich nicht mal mit der seite ihres iros an und die, die wie ich gerne noch offspring hörten, für die war punk eher so eine durchgangsphase auf dem weg zu reggea und hiphop. und ich? ich war punk.

 

ich hatte irgendwann eine gitarre, furchtbar billig, dass fing schon bei dem namen an und ging weiter über die tatsache, dass sie bei brinkmann gekauft worden war und hörte bei dem klang auf.

du so: was zum teufel ist brinkmann?
ich so: so was wie schauland!
du so: schauland?
ich so: die vorgänger von media markt und saturn.

aber sie passte gut zu meinem gitarrenspiel, vor allem, weil sie recht bald einen nofx-sticker bekam. und mein gitarrenspiel, das war definitiv punkrock, den mehr als drei akkorde hatte ich nicht drauf. so stand ich da, mittlerweile sechzehn und hatte mittlerweile einen freund, der meine punkleidenschaft teilte und den ich belaberte, sich einen bass zu kaufen. also standen wir dann da. wir waren bereit. wir waren punk.

punk_klein

Foto: joshua buttkus, 1996

so punk, dass wir auf einem bauwagenplatz hasch kauften und ich dabei ein “keine macht den drogen t-shirt-trug” und mein freund ein shirt mit dem schriftzug “punkers” – angelehnt an den snickers-schriftzug. und dann vorm pennywise konzert kifften und beide total fertig waren und der sänger der vorband, die für sublime eingesprungen waren, da sich der sänger kurz vorher mit heroin umgebracht hatte, vor uns stand und sich über uns zwei sitzende punks lustig machte. irgendwie haben wir es dann doch geschaft und uns aufgerafft und pogo getanzt. ich bekam einen springerstifel an den kopf. mit stahlkappe. ich war punk.

später sollte ich in den usa mein herz für eine weile ganz an den skatepunk verlieren, wütende texte gegen nazis und gegen ungerechtigkeit schreiben und die post-atomic-punk band saitenbrand gründen und tocotronic für mich entdecken. und ich sollte aufhören, punk zu hören und indirock besser zu finden. ich sollte strike anywhere entdecken und captain planet. und ich sollte ein gutes pferd gründen. ich sollte punk bleiben.

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