warum death metaler menschen sind und suicide keine lösung
und ich bin immer noch aufgeregt. seit über 10 jahren spiele ich jetzt in bands und seitdem auch konzerte, aber das gefühl der nervösität, aufgeregtheit und der immensen harndrang vor einem gig (wie wir musiker im musikjargon sagen) ist nie verschwunden und ich kann auch nicht behaupten das es wirklich besser geworden ist. aber nie und nimmer war es so schlimm wie vor dem ersten auftritt meiner band saitenbrand im april 1999. das erste mal auf der bühne und nicht bei irgendeinem komischen schulkonzert, bei dem man zwischen der flötengruppe der 5., dem gelangweilten pflichtchor der 9. und der schulband der 6.-8. klasse, die eine holprige coverversion von loosing my religion fabriziert, auftritt. das publikum bestand auch nicht, wie so oft bei klassischen schulveranstaltungen, aus einer gewillten, der ganzen veranstaltung gegenüber überextrem positiv eingestellten – der künstlerische output der schüler, bzw. des eigenen kindes muss ja gefördert und bewundert werden, auch wenn die altflöte erst einen monat zuvor gekauft wurde – elternschaft, die zudem eh kritiklos applaudiert, egal was wie aufgeführt wird und der versammelten unterstufe die nur da sind, weil sie deswegen – neben silvester – mal länger als bis 10 wach sein dürfen. nein, wir sprechen vom altwürdigen logo in hamburg, auf dessen knapp 15cm hoher bühne schon bands wie such a surge, beatsteaks oder götz widmann standen und – der entscheidende unterschied – es einen backstageraum mit becks-werbe-kühlschrank gibt, der nicht mit bio-apfelsaft gefüllt ist sondern mit bier und kapitalistischer, nicht-bio coka cola.
genau dort saßen wir. eine verstrickung verschiedener ereignisse – die vermeintliche hauptband des abends (auch headliner genannt) stellte kurz vor dem konzerttag fest, dass ihr bassist mit seiner anderen band zur selben zeit auf einer anderen bühne in einem anderen teil der stadt stehen sollte, weswegen sie ihr konzert uhrzeittechnisch verlegen mussten, denn die andere band ihres bassisten war (zumindest dem bassisten) wichtiger und deren konzert konnte nicht verlegt werden – hatte uns in der reihenfolge der bands des abends von der pol-position (21 uhr – 30 zuschauer – alles freunde) auf die headlinerposition (0 uhr – 200 zuschauer – 30 freunde und 170 leute die den eintritt bezahlt haben und sich deswegen aus prinzip alle bands anschauen und bis zum ende bleiben) katapultiert, was zwar in anbetracht der zusätzlichen zuschauer als glück gewertet werden muss, jedoch die zusätzlichen drei stunden wartezeit bis zum auftritt der reinste horror waren und die eingangs beschriebenen symptome – nervösität, aufgeregtheit und harndrang – ins unermessliche steigerten. bier trinken, obwohl der kühlschrank die ganze zeit gefüllt war bzw. wurde, ging nicht, denn dann – und da waren wir uns alle einig – der auftritt nur ein desaster werden konnte. für drei stunden bier trinken und dann sein debüt als livemusiker zu geben waren wir schlichtweg a. zu wenig trinkfest und b. zu wenig abgebrüht um besoffen dem publikum wenigstens den eindruck zu vermitteln, dass wir zwar total dicht sind, aber wenigstens dabei cool aussehen (eine kunst, die wir nie gelernt haben…wir waren aber auch fast nie betrunken). als die vorletzte band begann, verzogen wir uns endgültig in den backstageraum und stimmten 30 mal die instrumente…
draußen brach ein solches death metal gewitter los, so dass uns klar wurde, dass wir als kleine post-atomic punk band danach höchstens die wirkung der rolf zuckowski band erreichen würden. die jungs der death metal band waren beim soundcheck extrem nett gewesen und so böse wie jetzt ihr sound klang, wirkten die in real gar nicht. eher im gegenteil. der schlagzeuger von denen bekam ein mikro hingestellt, weil der sänger so nervös und/oder schüchtern war, dass er auf der bühne keine ansagen raus brachte. außerdem unterstützte der schlagzeuger den sänger beim „growlen“ (wer das mal selbst ausprobieren möchte, klicke hier). höhepunkt war letztlich ein dreiminütiges death metal donnerwetter mit durchgehender double bass, die der sänger und der schlagzeuger mit: „suicide, suicide, suicide, etc“ schreien untermalten. dass hätte uns eigentlich endgültig das genick brechen müssen, wenn nich der schlagzeuger so mit seiner double bass und seinem suicide rufen beschäftigt gewesen wäre, dass er das ende des liedes nicht mitbekam und somit, während die die restlichen bandmitglieder bereits den schlussakkord gesetzt, bzw. das schluss „suicide“ gegrowlt hatten, er immer noch wie ein berserker auf schlagzeug und mikro eindrosch und erst auf den hinweis „ähhm, tobi*, das lied is vorbei“ davon abstand nahm. irgendwie war damit deren bösartigkeit auf der bühne trotz „suicide“ (textlich kamen wir da nicht ran) verklungen und ich weiß letztlich nicht, ob es diese letzten schreie und schläge aufs schlagzeug waren, die mir die notwendige contenance gaben, unseren auftritt durchzustehen, denn wenn ich ehrlich bin, kann ich mich an den fast nicht mehr erinnern. nur die „suicide“ rufe der vorband hallen immer noch im kopf wider und wenn ich jetzt hin und wieder über death metal stolper, muss ich an diese band denken und daran, dass death metaler auch nur menschen sind und suicide keine lösung…
*name von der redaktion geändert, bzw der echte name ist nicht mehr nachzuvollziehen